Zuckergeist
 

Vareía Elafrotis

Es fallen die Blätter, Blütenblätter schwer ins das Grab;
bereiten aus Rosen und Lilien
den Boden der Saat.

Es glimmen die Früchte Johannis`, des Baumes Johannis Karat;
versinken als Himmelsfossilien
ins Dunkel herab.

Es klingt als gleißende Perlen Rubeculas heller Gesang,
verweht und versendet als Samen
der Stille Klang.

Es krönt die Erle die Pforte, das goldene Tor am Hang.
Sie lauscht der Ahnen Amen
und hört ihren Gang.

Es sprießen am Tore die Blumen, die Lilien und Rosen empor;
sie sinken erneut zu Boden
und weben den Flor.


Unterm Birnbaum
am Dornbusch

In meinem Garten steht gen Westen
karg ein Birnbaum arm an Ästen.
Doch im Schatten seiner Krone
sitze ich wie auf dem Throne.

Gleich in einem Paradiese
steht in voller Pracht die Wiese.
Meines Baumes alter Blick
sieht darauf erneut zurück.

Morsch und brüchig sind die Glieder
neben ihm blüht jung der Flieder
doch die Weisheit, die er spendet
legt in Schatten, was mich blendet.

Unter seinem Blätterdach
ist mein Geist erhellt und wach.
Aller Büsche spitze Dornen
fallen ab, das Glück zu spornen.


 Farbspiel

Weiß war die Robbe,
so weiß wie Schnee.
Schwarz war die Schlehe,
so schwarz wie Tee.
Grün war die Weide,
so grün wie Klee.
Rot war das Kleide,
so rot wie Gelee.

Rot war die Robbe,
so rot im Weh.
Weiß war die Schlehe,
bedeckt vom Schnee.
Schwarz war die Weide,
und tot das Reh.
Grün ward das Kleide,
versunken im See.


Der Köhler

Schwarz ist der Köhler,
schwarz sein Gesicht,
Hände und Arme,
man sieht sie nicht.

Schwarz ist sein Hut,
die Augen verdunkelnd,
Rauch geht gen Himmel,
die Kohlen funkelnd.

Der Rauch -
er fängt den Atem ein,
färbt schwarz die Lungen,
dringt tief ins Gebein.

Bist Du es Tod,
der hier sich zeigt,
der Hauch des Lebens
sich verneigt?

Die Hitze gleicht der Höllenglut,
doch sag; dein Herz -
strömt darin Blut?

Tektiten zeigen Deinen Blick,
ein schwarzes Loch -
kein Weg zurück.


Bescheidenheit

Zum Kriechen verdammt,
nicht Fuß, nicht Hand,
gleitet er fort,
ganz ohne Gewand.

Von Gottes Hand ward er gemacht,
von seinem Geiste auch erdacht.
Wer sagt, dass er nicht glücklich ist,
er kennt doch nur den Duft von Mist.

Er fühlt sich wohl im Regenguss,
er findet dort den Hochgenuss.
Und wird er einmal zweigeteilt,
ein zweites Würmchen bei ihm weilt.


Die Raupe

Die Raupe saß auf einem Blatt
und fraß sich kugelrund und satt.
Sie legte sich an einen Baum
und fiel in einen tiefen Traum.

Sie sei in einem fernen Land
und trug ein wunderbar Gewand.
Sie konnte über Felder fliegen
und sanft sich in den Lüften wiegen.

Sie wollte nicht mehr Raupe sein,
die einsam kroch tagaus tagein.
Sie wollte ferne Reisen machen,
dem Sonnenschein entgegenlachen.

Da traf sie eine gute Fee,
die saß auf einem Blättchen Klee.
Sie machte eine Zauberei
und spann die Raupe in ein Ei.

Nach Vergehen des Winters, des kalten,
sollte die Raupe sich endlich entfalten.
Als hoch die Sonne am Himmel hing,
da ward die Raupe zum Schmetterling.


Der Schäfer

Die Wolle, sie wärmt den Schäfer.
Der Schäfer, er wärmt die Braut.
Die Braut, sie wärmt das Kindelein,
und dieses das Lämmelein fein.

So sind doch alle verbunden
in einem steten Kreis.
Nur glücklich ist der Schäfer,
der um die Regel weiß.


Der Daoist

Das Gras, es wuchs nicht schnell genug
da hab’ ich dran gezogen.
Doch statt zu wachsen ging es ein,
ich fühlt’ ich ward betrogen.

Das Unkraut wuchs mir gar zu schnell
da hab’ ich es zertreten.
Doch ging’s nicht ein, es wurde groß;
mir blieb nichts als zu beten.

Die Rose war nicht rot genug,
so ließ ich sie denn bluten.
Doch ihre Farbe ward fast schwarz
wie Kohle in den Gluten.

Die Nacht sie war nicht hell genug,
ich hab’ mich ihr ergeben.
Die Finsternis, sie schwand im Licht -
da fing ich an zu leben.


Die heilige Schrift

Dornen trägt der Rosenkranz,
den eine Hand dreht,
die als Märtyrer in den Krieg geht.

Splitter hat das Kreuz,
das eine Hand hält,
hinter der sich stolz die Brust schwellt.

Macht und Stolz, die alten Krieger
stehen Gottes Wort zuwider.
Heilig ist allein die Schrift,
in der das Wort die Liebe trifft.


Spiegel

Ist Hass nicht Liebe, umgedreht,
ist Schmerz nicht Heil nur, weil er geht?
Ist Sünde nicht verpasster Segen,
ist Armut nicht des Reichtums wegen?

Ist der Teufel nicht auch Gott, gefallen,
ist nicht die Masse entstanden aus Allen?
Ist nicht die Hölle dem Himmel gespiegelt,
ist Lüge die Ehrlichkeit nicht, verriegelt?

Alles ist Eins - von der anderen Seite,
dazwischen liegt nichts und unendliche Weite.
Das Eine wär’ ohne das Andere nicht,
das Eine erst gibt dem Ander’n Gesicht.

Genauso verhält es sich umgekehrt,
das Andere stets auch das Eine vermehrt.
So wie eine Kugel kein hier hat, kein dort,
so trifft eins das andere immerfort.


Winternacht

Der Mond erhellt die schneebedeckte Wiese,
von fern erscheint der Berg als weißer Riese.
Die Tannen winden sich unter der Last,
beizeiten knackt es, und es bricht ein Ast.

Die Landschaft liegt schlummernd im kalten Weiß,
der See ist bedeckt von festem Eis.
Die Zapfen hängen wie blitzende Schwerter
als sei’n sie des Winters treueste Wärter.

Doch drinnen im Hause am Kamin,
da liebt der Schäfer die Schäferin.
Das Feuer im Leibe des liebenden Paares
ist heiß, wie die Sonne zur Mitte das Jahres.

Und tief in den Augen der Beiden erglüht
der Kelch einer Blume, die Frühjahrs erblüht.
Daraus trinken beide der Liebe Glut
und wärmen im Herzen der Liebenden Blut.


Geldmacht 

Geld ist wichtig
das ist richtig
Geld ist nichtig
doch gewichtig

Geld gewichtet
Geld vernichtet und -
Geld richtet
doch -
dichtet Geld?


Dichterglück

Wie schnell sind Gedanken verflogen,
sie blitzen durch Wolken wie Licht,
das fest in das Dunkel verwoben
die Wolkendecke durchbricht.

Der Geist versucht zu ergreifen,
was Gott ihm von oben geschickt,
nur kurz ward dem Dichter, dem Reifen,
ins sehnende Antlitz geblickt.


Die Fuge

Einer großen Fuge gleich
ist die Welt an Tönen reich.
Jeder Ton hat seinen Rang,
jeder Mensch hat seinen Gang.

In der eig’nen Tonart Heimat
liebt der Ton, was er gemein hat.
Töne jedoch, die entlegen,
gehen seinem Sinn entgegen.

So das Volk in seinem Lande,
ist des Schätzens nicht imstande,
alles Fremde bringt Bedrohung,
seiner Heimat droht Verrohung.

Doch wie würd’ die Fuge klingen
würde alles nur entspringen
aus dem einzigen Akkord,
der dort weilt an seinem Ort.

Nur im Folgen fremder Sphären
lässt sich Reichtum wohl gebären.
Nur im Zehren und im Lösen
meidet sie ein gähnend Dösen.

Einer großen Fuge gleich
ist auch Kunst das Weltenreich.
Alles Leben ist die Kunst,
die beruht auf Gottes Gunst.

Nur in der Gemeinsamkeit
aller Töne weit und breit,
nur in ihrer Dissonanz
erntet sie den Lorbeerkranz.


Procrastinatio

Jetzt oder nie musst Du es wagen,
nicht mal Genie darf es vertagen,
morgen irrst Du ist kein Tag,
den zu greifen man vermag.

Heute musst Du ihn ergreifen,
morgen braucht er Zeit zu reifen.
Wenn die Morgen gestern sind
merkst Du erst das Zeit verrinnt.

Tage, die dahin geflossen
werden in Zement gegossen.
Gras wächst irgendwann darüber
und das Leben ist vorüber.

Lass darauf den Garten blüh’n,
der stets zeugt von dem Bemühn,
dass das Leben Früchte trägt,
die zu ernten man erwägt.


Stufen

Wie dem Einen folgt das Zweite
geht es fort in ew’ge Weite.
Immer geht die Treppe weiter,
weiter als die Himmelsleiter.

Sind es Stufen, sind es Ringe,
einzig zählt, was ich bezwinge.
Dass den Blick ich aufwärts richte,
Rückwärtsschritte nicht gewichte.

Lass, mein Herz, nur los, gesunde,
trag mich fort zur nächsten Runde.
Dass des Anfangs Zauber greife,
Schritt für Schritt die Seele reife.

Wie der Himmel sich ausweitet,
schwingt die Seele hoch und gleitet
bis zum allerfernsten Stern -
niemals glaubt, er sei zu fern.


Das Meer

Tief und ruhig liegt es da, das Meer.
Es kümmert sich nicht um die Wellen.
Voll von Fülle ist es leer,
befreit von allem Schnellen.

Die Wellen, sie schäumen und schnellen empor
als wollte die höchste gewinnen.
Darunter klingen still und sonor
des Meeres zarte Minnen.

Tauche ich tief in die Seele hinein,
so kann ich die Ruhe dort hören.
Ich sehe das Leben nun klar und rein -
ich treffe auf Gott mich zu führen.


Komische Vögel

Da hab ich Ornithologie recht eifrig studiert,
zu wissen, wie ein Vogel wohl ein Küken gebiert.
Es schält sich einfach selbst aus der gelbweißen Schale,
so hilft es der Mutter und wird nicht zur Quale!
Doch neulich begegnete mir ein Riesenvogel.
Es war an dem kleinen und hübschen Ort Kogel.
Der war fast so groß, wie ein schneebedeckter Berg,
ich selbst war so klein dagegen wie ein armer Zwerg.
Der große Vogel hatte keinen echten Schnabel,
auf der Nas’ saß ein Turm, so hoch, wie der zu Babel.
Sein Federkleid war nicht aus Federn, eh’r aus Leder,
da griff ich gleich, ihn festzuhalten zu der Feder.
Ich zeichnete ihn und bin daher jetzt sehr berühmt,
und bin voll stolz und sage es ganz unverblümt:
Die Menschen, sie machen wohl nicht ihre Augen auf,
sie nehmen eine Maus als Elefanten inkauf.
Oder sie denken, das Nashorn schlüpfe aus dem Ei -

 den  meisten Banausen ist das wohl einerlei! -

 

Ich habe in Kogel auch andere Vögel gesehen,
vornehmlich komische Vögel, die auf zwei Beinen geh’n.
Vögel, die sich repräsentieren wie aus dem Ei gepellt,
eine Rasse, die mit Raketen in die Höhe schnellt.
Aller Flügel bar versucht diese, sich zu erheben,
will weit über allen Geschöpfen und Dingen schweben.
Diese Vögel machen gern weit auf ihren Schnabel,
und raus kommt nicht mehr als Blabla von Babel.


Sonett (für Martin Schleske)

Die Not erst gibt den meisten Dingen
und auch dem Glauben ihren Raum.
So auch der Stamm am Gipfelsaum,
er ist berufen, Lob zu singen.

Der Mangel lässt das Leben ringen,
sucht Gottes Liebe sich im Traum.
Den innren Reichtum sucht der Baum,
und dieser Schatz lässt ihn erklingen.

Der Stamm, der Gott am nächsten steht,
und singend ihm entgegengeht,
des Leidensstunden sind gezählt.

So wird die ärmste Seel’ erwählt,
die sich in Liebe Gott vermählt,
durch ihn zu schwingen als Klang im Gebet.


Unterm Birnbaum

Birnen sind herabgefallen,
Flieder blüht nicht
und den Rosen fehlt der Duft.
Bienen, Hummeln, Schmetterlinge
fliegen nicht mehr durch die Luft -
seit Du bist gegangen.
Doch im Herzen darfst Du sein
mir mein bunter Garten.
Geh nur fort, erkunde Dich,
und - ja, ich werde warten.
Doch wenn Du dann wiederkehrst,
dann blüht erneut der Garten.
Ein And’rer bringt den Duft hinein,
und tröstet mich beim Warten.


Die Gazelle, der Tiger und die Ente namens Bente

Es war eine Gazelle, die war nicht ganz so helle und sprang mit einer Schnelle,
die sich kaum beschreiben läßt, einem Tiger in sein Nest.

 

 

Doch die Gazelle hatte Glück, der Tiger nämlich aß kein Stück.
Er hatte keinen Hunger, er hatte vielmehr großen Kummer,
er hatte tausend Sorgen, schon seit des Tages Morgen:
Er hatte sich verliebt, in eine Dame, bei der es keine Aussicht gibt.

 

 

Sie war eine Ente, namens Bente, die war so begabt und spielte viele Instrumente.
Das eine war ein großer Kasten mit vielen weißen, aber auch schwarzen Tasten.
Der erzeugte einen so wundervollen Klang, daß  viele Meilen weit er drang,
so daß sogar der Tiger ihn hörte, der nicht mehr anders konnte und lauthals mitröhrte.

 

 

Der Tiger glaubte, es sei ein Engel, der sang, so daß er entschlossen von seinem Throne sprang,
und sich aufmachte, den Engel zu finden, um ihn auf ewig an sich zu binden.
Nach stundenlangem Suchen fing er an zu lahmen, noch immer wußte er nicht woher die Klänge kamen.
Doch bald darauf kam er zu einem See, da traf er eine gute Fee, die lud ihn ein auf einen Tee,
sie müsse ihn warnen:

 

 

Sie kenne seinen großen Hunger, doch irgendwann bereite der ihm großen Kummer,
wenn er nicht aufhöre alles zu verschlingen was es gäbe zu erringen.
Der Tiger war empört, so etwas Dreistes hatte er noch nie gehört.
Er ging und fing das nächste Tier, das dort watschelte umher,
und das ihm schmeckte gar so sehr.

 

 

Es war eine Ente...ihr ahnt es ...sie hieß Bente.
Des Suchens müde ging der Tiger nach Haus,
sein einzig Trost war der Mittagsschmaus.
Er legte sich auf seine Felle, bemerkte nicht mal die Gazelle,
und wartete auf den wundervollen Klang, der einst zu ihm in die Höhle drang.

 

 

Lange, lange Zeit war vergangen, die Musik hatte nicht angefangen.
Er konnte sie nicht hören, keine Melodie wollte sein Herz betören, nicht ein einziger Ton seine Einsamkeit stören...
Der Tiger hielt es nicht mehr aus, er ging nicht mehr raus, er  flippte gänzlich aus.
Er war nicht mehr zu retten, man legte ihn in Ketten -
bis er starb der Tiger, an seinem bösen Fieber.

 

 

Und die Moral von der Geschicht: Der Tiger, der kannte sie nicht.