Zuckergeist
 

"Wissen Sie, das war schon eigenartig - wenn jemand zu mir sprach, verstand ich vielleicht seine Worte nicht, aber den Tonfall! Ich wusste sofort, was in ihm ist: ich wusste, wie er fühlt, ob er lügt, ob er aufgeregt ist, und wenn dieser Mensch mit mir sprach, auch wenn es eine konventionelle Unterhaltung war - ich spürte es, ich hörte es, dass dieser Mensch vielleicht innerlich weint. Die Töne, der Tonfall der menschlichen Sprache, überhaupt jedes lebenden Geschöpfs, bargen für mich die tiefste Wahrheit. Und wissen Sie: das war mir mein Leben lang ein Bedürfnis. "

Leoš Janáček


Über mich

Dr. Eva Mareike Beckmann

ist Pädagogin für das Lehramt an Gymnasien. Zudem studierte sie Violine und ist als
freischaffende Musikerin tätig.

Seit 2000 ist sie zudem ausgebildet als Pädagogin für Atem-und Sprechtechnik nach Dr. Julius Parow. Ihr Schwerpunkt ist das „Lernen lernen“, der Umgang mit Prüfungsangst und Lampenfieber, sowie das Erkennen und die Förderung von Hochbegabung. Sie folgt dem Ansatz Prof. Dr. Gerald Hüthers, der neurophysiologisch erklärt, dass jeder Mensch die in ihm angelegte Hochbegabung entfalten kann.

https://mareike-beckmann.de




Vielleicht muss mein größter Dank meiner ersten Grundschullehrerin gelten, denn sie hat mich gelehrt, wie Kinder NICHT lernen: mit Druck, mit Strafen und mit Angst. Was bei Frau Sauerteig ein Extrem war, sehe ich bei vielen Erziehenden, Lehrenden und Eltern - sie wollen , dass die Kinder funktionieren, nicht auffallen und schon gar nicht zur Last fallen. Sie machen die Kinder damit zu Objekten. Doch Kinder sind fühlende Wesen, Zuckergeister, die von Haus aus wissbegierig, neugierig und begeisterungsfähig sind. Wenn ihre sprudelnde Energie nicht erwünscht ist, ihr neugieriges Wesen gebremst, sogar abgelehnt wird oder lächerlich gemacht - dann haben sie keine andere Wahl, als ihre gesamte Innenwelt zu verschließen. Stattdessen entwickeln sie übergroße Sensoren für die Bedürfnisse der anderen Menschen. Manche Kinder schaffen es, sich von diesen Menschen abzugrenzen. Andere schaffen das nicht -
und grenzen sich von sich selbst ab. Weil sie vertrauen. Sie vertrauen der Meinung der Bezugspersonen. Sie glauben ihnen, dass sie selbst falsch sind. Dass es einen Grund geben muss, dass sie nicht dazugehören.

Und so wenden wir alle unsere Energien dafür auf, es den Anderen recht zu machen, in das
System zu passen, nicht aufzufallen. Den Eltern nicht zur Last zu fallen. Wir sondieren, was die Mitschüler von uns wollen, damit sie uns mögen. Jeder bekommt ein Körnchen von unserem Zucker, nur für uns selber bleibt nichts mehr übrig.

Es hat mehrere Jahrzehnte gebraucht, bis ich mir dieser Dynamik bewusst wurde. Die Schulzeit glich für mich einem Gefängnis, aus dem ich nur ausbrechen konnte, indem ich mich komplett aus dem Geschehen ausblendete. Gleichzeitig war ich chronisch unruhig. Im Nachhinein frage ich mich, wie ich mein Abitur geschafft habe.

Im Studium lernte ich Valentin kennen. In seinem Unterricht in Alexandertechnik war er der erste Mensch, der mir gezeigt hat, dass sich ganz viele Menschen so fühlen wie ich. Seine Ehrlichkeit hat mein Leben verändert. Ihm verdanke ich, dass ich von diesem Zeitpunkt an entschieden habe, mein eigener Lehrer zu sein.





Von diesem Tag an sah ich nur noch Masken. Ich übte, hinter diese Masken zu schauen. Ich beobachtete, wie die Menschen funktionierten; wie sie sich zu Objekten machen ließen. Wie sie ihre Persönlichkeit verleugneten. Wie sie sich verstellten, um Anderen zu gefallen. Ich war Meisterin im Menschen lesen. Ich hatte ja mein Leben lang geübt. Anstatt mich von meinem Gegenüber abzuspalten, entwickelte ich ein großes Mitgefühl mit den Menschen, mit ihrer Bedürftigkeit und ihren Ängsten. Und mir wurde klar, dass ich mein Leben lang die Ängste meiner Mitmenschen kompensiert hatte.

Ich bildete mich nun fort, um all das zu lernen, was ICH wissen wollte. Und so begann ich so ziemlich alles im Selbststudium zu lernen. Das erste, was ich wissen wollte war, zu lernen - wie man lernt.

Als Musikerin wollte ich wissen, wie man übt, wie man sich selber motiviert, wie das Gehirn funktioniert und wie es nicht funktioniert. Ich las eine ganze Bibliothek über ADHS, über Borderliner, über kindliche Depressionen, über alles, was das Gehirn aus dem Gleichgewicht bringen könnte.

Diesen Erfahrungsschatz möchte ich insbesondere an Eltern, Kinder und Jugendliche weitergeben. Ich sehe es als meine Berufung, meine "Hellsichtigkeit" aber auch meine "Hellfühligkeit" in den Dienst der Menschen zu stellen, die sich eine liebevollere Welt wünschen, in der jeder Mensch sein eigenes strahlendes Potential entwickeln kann - und dieses wagt, nach außen zu tragen.  





Was wir blind übernommen haben, müssen wir blind weitergeben.

Heute weiß ich: Ich sehe mehr, ich sehe weiter und ich sehe tiefer.
Ich sehe das gewaltige Potential, das in jedem Menschen steckt.
Ich bin ein wahrer Zuckergeist - im richtigen Aggregatzustand!